01.03.2015
Die Natur schenkt uns das Leben, nicht den Sinn
„Die Natur schenkt uns das Leben, nicht den Sinn.” (Hans-Jürgen Quadbeck-Seger)
Über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit speziell von Kultur und Kunst ist schon viel polemisiert worden.
Längst haben sie sich den Status eines Lebensmittels erobert. Das bedeutet aber auch, dass ein hungriger Geist nicht nach dem Füllstand der Haushaltskasse fragt. Hunger will schlichtweg nur gestillt werden. Zu Zeiten, in denen der kommunale Kulturbetrieb sich in der inneren Emigration zu befinden scheint, bestehen und entstehen geistig-kulturelle Bedürfnisse trotzdem hartnäckig weiter.
Es ist der Initiative Einzelner zu verdanken, dass manche Lücke dennoch geschlossen werden kann. Die Beispiele sind bekannt, doch wer kennt, außer den Mitgliedern, den „Literarischen Salon”? Selbiger ist uns als Geschenk vom Rückkehrer-Ehepaar Prof. Peter Tschaplik und Otti Planerer aus Berlin mitgebracht worden. Jahrelang gewohnt, ein offenes Haus zu führen und gesellschaftlichen Umgang zu pflegen, wollten die beiden das auch in Gera nicht missen. So wurde Frau Planerer zur Gastgeberin.
Alte Kontakte halfen, schnell Literaturinteressierte zu finden, die seit Mai 2013 einmal monatlich zum Debattieren über jeweils ein ausgewähltes Werk zusammentreffen. Inzwischen hat sich eine stabile Gruppe aus neun Personen etabliert, die in ihrer Zusammensetzung ein breites Spektrum von Berufen abdeckt. Der einzige Mann ist Bibliothekar und bringt neben der männlichen Sichtweise auch eine ganz spezielle berufliche in die anregenden Gespräche ein. Zudem ist er „Hahn im Korbe”, was ihm sichtlich gut bekommt.
Die besprochenen Werke könnten unterschiedlicher nicht sein, der Bogen spannt sich von der Klassik bis hin zum Bestseller des Buchpreisträgers Lutz Seiler. Gerade um sein Werk entspann sich eine heftige kontroverse Auseinandersetzung. Stolz auf den Preisträger aus der eigenen Stadt sind dennoch alle. Und sie bedauern sehr, dass die Lesung im Rathaussaal, die ein großes Potenzial in sich barg, auf Grund der schlechten Gesprächsführung von Seiten der Moderatorin nur den Status von Mittelmäßigkeit erreichte. „Die Jüdin von Toledo” wurde zuletzt gelesen, ohne dass man vorher wissen konnte, wie brisant das Thema gerade in diesen Tagen sein würde. Katholiken, Evangelische, Hinduistin und Atheisten konnten im heftigen Streitgespräch ihr Temperament in der gerade stattgefundenen Runde kaum zügeln.
Ebenso emotionsgeladen geht es zu, wenn die Rede auf die aktuelle kommunale Kulturpolitik kommt. Dann entstehen Unmutsfalten auf den Stirnen, denn die vielfältigsten privaten Initiativen können weder KuK, Comma, Museen, noch Theater ersetzen.
Dabei ist das Ende von Konzeptionslosigkeit und Intransparenz nicht absehbar.
Der Rückzug ins Private kann nur als mögliche Ergänzung denn als Ersatz angesehen werden. Er sorgt allerdings im konkreten Falle dafür, dass das Wohnzimmer des Paares Tschaplik/Planerer für eine kleine Gruppe Literaturinteressierter zu einem Wohlfühlort geworden ist. Und das nicht nur im Sinne der geistigen Auseinandersetzung. Es ist wahrhaft ein „Salon”.